Interview mit Head Barista Izabela: "Jeder Kaffee schmeckt anders"
Kaffee ist ein Natur- und Frischeprodukt, er schmeckt jedes Mal anders. Doch wie kann man seine Tasting-Skills entwickeln? Unsere Head Barista Izabela verrät Euch im Interview mehr über über den Geschmack von Kaffee, insbesondere von Spezialitätenkaffee.
Vor allem als Neuling in der Welt des Spezialitätenkaffees kann es schwierig sein, wenn man den Geschmack von Kaffee beschreiben will und nach den richtigen Worten sucht. Tatsächlich braucht es dazu Training und viel Geduld. Wie kann ich meine Tasting-Skills entwickeln? Wie schmecke ich Wildberry oder Pfirsich bei unserem Filterkaffee Alaka heraus? Und warum schmecken afrikanische und südamerikanische Kaffees unterschiedlich? Unsere Head Barista Izabela, verrät im Interview praktische Tipps, wie man den Geschmack von Kaffee besser beschreiben kann.
Izabela, wie hast du gelernt, den Geschmack von Kaffee zu unterscheiden?
Ich bin in einer Kaffeefarmerfamilie in Minhas Gerais aufgewachsen. Dadurch bin ich bereits früh mit Kaffee in Kontakt gekommen. In Brasilien gab es meistens Kaffee mit schokoladigen und nussigen Noten, weil das typisch für die Region ist und keine Kaffees importiert werden. Dann habe ich bei meinem ersten Besuch in Röststätte im Jahr 2019 die Sorte "Koke" probiert, eine fruchtig-afrikanische Geschmacksbombe aus Äthiopien.
Wie hat der Koke deine Vorstellung von Kaffee verändert?
Seit meiner ersten Tasse "Koke" bei uns in der Röststätte brenne ich für Specialty Coffee, habe an unzähligen Cuppings teilgenommen und meine Tasting-Skills Schritt für Schritt entwickelt.
Schokoladig und fruchtig, das klingt beides für mich lecker. Aber was mache ich, wenn ich mich nicht entscheiden kann?
Unser Signature Blend Novum zum Beispiel vereint beides, da in ihm Anteile aus Kenia und Äthiopien, aber auch aus Peru stecken. In der Tasse schmeckt das als Espresso unglaublich. Kaffees aus Südamerika, wie eben z.B. Peru, schmecken sehr schokoladig, während afrikanische Kaffees (z.B. aus Kenia und Äthiopien) grundlegend sehr fruchtige Profile aufweisen.
„Es gibt keinen typischen Kaffeegeschmack. Jeder Kaffee schmeckt anders“
Izabela Fortini, Head Barista Röststätte
Woran liegt das eigentlich, dass Afrikaner und Südamerikaner so unterschiedlich schmecken?
Afrikanische Erde hat beispielsweise einen höheren Mineralgehalt als viele südamerikanische Agrarflächen. Dafür sorgt die Bodenbeschaffenheit in Latein- und Südamerika für mehr Nährstoffe als in Afrika. Es kann aber auch an der Fermentierung liegen, ist es ein Natural oder ein Washed, oder sogar eine Carbonic Maceration (Anm. d. Red.
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Izabela, manchmal wird der Geschmack von einigen Kaffees als säurebetont beschrieben. Warum ist das so?
Säure ist etwas Gutes und nichts Schlechtes. Das muss man lernen. Je mehr natürliche Säure ein Kaffee hat, desto komplexer ist sein Geschmack. Es ist wie beim Bier – viele schmecken gleich. Doch es gibt auch Craft Bier, mit unterschiedlichen Geschmacksnoten, vor allem Hopfen.
Gibt es einen "typischen" Kaffeegeschmack?
Es gibt keinen typischen Kaffeegeschmack. Jeder Kaffee schmeckt anders. Wenn jeder Kaffee gleich schmeckt, handelt es sich nicht um Specialty Coffee sondern um industrielle Röstungen. Die wurden meist "totgeröstet", stammen aus einer alten Ernte, oder wurden schlichtweg maschinell und mit Defekten geerntet. In den vakuumverpackten Supermarktziegelsteinen steckt oft mehr Robusta als einem lieb ist.
Industrielle Röstungen werden totgeröstet, stammen aus einer alten Ernte, oder wurden maschinell und mit Defekten geerntet.
Izabela Fortini, Head Barista Röststätte
Was bedeutet „totgeröstet“?
Das bedeutet schlichtweg, dass dein Kaffee zu schnell und zu heiß geröstet wurde. Oft nur wenige Minuten maschinell bei etwa 500 Grad. Spezialitätenkaffee wird hingegen im Trommelröster bei maximal 220 Grad schonend von Hand geröstet. Das beeinflusst den Geschmack natürlich wesentlich.
Du hast auch von Robusta gesprochen. Was bewirkt Robusta geschmacklich im Kaffee?
Robusta kann auf den Magen schlagen, insbesondere wenn er zu schnell und zu heiß – also industriell – geröstet wurde. Das liegt am hohen Anteil von Chlorogensäuren in der Robusta-Bohne, ein natürlicher Abwehrstoff gegen Schädlinge in niederen Höhenlagen. Durch eine schonende Trommelröstung würde aber auch eine hundertprozentige Robusta-Röstung weniger auf den Magen schlagen. Wir setzen aber auf 100% Arabica Spezialitätenkaffee, um den Kaffee bekömmlicher zu machen.
Wovon hängt der Kaffeegeschmack in der Tasse denn nun ab?
Der Geschmack hängt – neben der Röstung – von der Fermentierung und der Varietät ab – wird aber grundlegend erstmal vom Ursprung bestimmt. Geschmacklich sind afrikanische Kaffees wie gesagt daher oftmals fruchtig und ein klassischer südamerikanischer Kaffee erinnert im Geschmack gerne mal an Schokolade. Es gibt aber auch Ausnahmen wie besonders fermentierte Kaffees die sehr komplexe Geschmackswelten aufzeigen.
Inwiefern ist das eine Ausnahme?
Wir haben immer wieder mal experimentell aufbereitete Kaffees im Sortiment. Zum Beispiel die Sorte "El Zacatin", ein anaerob fermentiertes Lot aus Kolumbien oder "Wush Wush", eine seltene Kaffeevarietät aus Afrika, die in Kolumbien kultiviert wurde. Spezielle Fermentationen können extravagante Profile erzeugen, wenn der Farmer die Techniken beherrscht. Dafür ist sehr viel Know-how im Ursprungsland notwendig.
Welchen Tipp hast du um die eigenen Tasting Skills zu erweitern?
Das kommt mit der Zeit, keine Sorge. Wichtig ist es, regelmäßig Kaffee zu probieren. Und sich bewusst auf den Geschmack und das Aroma zu konzentrieren. Wenn ich Kaffee schmecke, assoziiere ich den Geschmack mit verschiedenen Farben. Dann versuche ich mich auf das Flavor Wheel zu konzentrieren und komme auf die Geschmacksnote. Das Flavour Wheel der SCA kann eine sehr gute Hilfestellung bieten.
Mundgefühl, Textur, Viskosität, Adstringenz – wozu das alles?
Das sind viele Begriffe aber die Herausforderung ist es zunächst sich bewusst auf den Geschmack einzulassen und in Ruhe zu beschreiben. Die Begriffe helfen eine gewisse Ordnung an die Herangehensweise zu finden. Nehmt euch mehr Zeit für Kaffee. Man muss nicht alles auf einmal lernen, sondern kann Schritt für Schritt lernen, wie man bewusster schmecken kann. Das erfordert etwas Übung und viel Geduld – aber es lohnt sich. Wichtig ist es, sich auf eine Eigenschaft des Kaffees am Anfang zu konzentrieren. Beispielsweise nur auf das Mundgefühl oder nur auf dem Geschmack. Geht es in eine schokoladige oder in eine fruchtige Richtung? Ist der Kaffee vollmundig oder eher saftig? Und: macht Euch Notizen beim Probieren.
Was ist der Unterschied zwischen Mundgefühl und Body?
Zum Beispiel gibt es Kaffees die im Mundgefühl ganz ähnlich zu einem Riesling sind. Ein Kaffee kann prickelnd auf der Zunge wirken. Wenn du hingegen eine fettarme Milch und eine H-Vollmilch im Geschmack vergleichst, dann spürst du den Unterschied beim Body. Die H-Milch ist vollmundig, es füllt den Mund mehr als die fettarme Milch. Bei unserem Sinfonia beispielsweise, ist der Körper sehr voll und das Mundgefühl eher cremig mit Noten von Haselnuss und Milchschokolade.
Ein Kaffee kann prickelnd auf der Zunge wirken.
Izabela Fortini, Head Barista Röststätte
Also wie in Milchschokolade beißen?
Nein, es ist nicht ganz so intensiv. Eher eine dezente Note. Sinfonia ist beispielsweise sehr süß auf der Zunge, ich schmecke eine sanfte Note von Milchschokolade. Auch bei espressobasierten Milchgetränken wie Flat White oder Cappuccino, bei denen der Sinfonia verwendet wird.
Was empfiehlst du, um die sensorischen Fähigkeiten zu verbessern?
Training, Training, Training. Man kann den Geschmack beispielsweise trainieren, in dem man verschiedene Apfelsorten probiert und versucht, den Unterschied zu schmecken. Ich empfehle vor der Verkostung von Kaffee, insbesondere Spezialitätenkaffee, an der Tasse zu riechen, um eine Vorstellung vom Aroma und somit anschließend beim Verkosten vom Geschmack zu erhalten. Die Nase trinkt schließlich mit.
Vielen Dank für das Interview!
written by
Christopher Braemer
Christopher ist gelernter Journalist und arbeitet im Marketing von Röststätte Berlin. Am Herzen liegen ihm der Röststätte-Newsletter und der Contentbereich. Für den Blog schreibt er über Kaffee aus aller Welt, aber auch über Wirtschaft, Politik oder Nachhaltigkeit. Falls ihr Fragen oder Anregungen habt, schreibt ihm gern eine Nachricht.
Fotos: Laura Droße
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