Bedeutet Fairtrade beim Kaffee auch fairen Handel?
Jeder kennt sie aus dem Supermarkt, Labels wie Fair Trade oder Bio. Aber was steckt eigentlich dahinter? Garantieren diese Labels einen fairen Handel? Das wollen wir in diesem Beitrag klären. Was unsere Philosophie beim Kaffeehandel ist und warum wir auf Labels verzichten.
Kaffee kommt aus Ländern wie Brasilien oder Äthiopien zu uns. Beim Kaffeehandel kann Deutschland als zweitgrößter Kaffeeimporteur der Welt dafür sorgen, dass die Bedingungen für die Produzenten verbessert werden, dass sie faire Preise erhalten. Warum Bio und Fairtrade nicht automatisch einen fairen Handel garantieren. Und was unsere Philosophie beim Kaffeehandel ist, erklären wir in dieser Übersicht.
Specialty Coffee und Commodity Coffee – kurz erklärt
Um zu beschreiben, wie wir unseren Kaffee handeln, müssen wir zunächst erklären, was Spezialitätenkaffee eigentlich ist. Spezialitätenkaffee – das sind die Top fünf Prozent der weltweiten Kaffee-Produktion. Vom Anbau über die Röstung bis hin zur finalen Tasse, die Wertschöpfungskette bei Spezialitätenkaffees ist sehr kurz und jeder einzelne Schritt durchläuft höchste Qualitätsstandards. Die Qualität des Rohkaffees wird von der Specialty Coffee Association (SCA), einem Verband von Specialty Coffee Professionals, in einem international anerkanntem und standardisiertem Bewertungssystem erfasst und getestet.
Grundlegend gilt: Jeder Rohkaffee, der auf einer Skala bis 100 Punkte mehr als 80 erreicht, gilt als Spezialitätenkaffee. Alles darunter nennt sich Commodity Coffee und endet als gewöhnliche Handelsware im Supermarkt-Regal. Die SCA unterscheidet folgendermaßen:
• 90-100 Punkte: Outstanding. Selten erreichen Rohkaffee diesen Score. Kaffees dieser Klasse gelten als absolute Raritäten. Weniger als 1 Prozent aller Kaffees erreichen die Champions League der Spezialitätenkaffees.
• 85-89.99 Punkte: Excellent. Unter diese Kategorie fallen überdurchschnittlich gute Spezialitätenkaffees. Die besten Mannschaften der Bundesliga könnte man sagen.
• 80-84.99: Very Good. Alles, was mindestens diese Klasse erreicht, ist Spezialitätenkaffee. Weniger als 5 Prozent aller Kaffees weltweit erreichen diese Klasse, sozusagen die Bundesliga der Kaffeewelt.
• 0-79.99 Punkte: Commodity Coffee. Diese Rohkaffees spielen in der untersten Liga. Sie unterliegen einer schlechteren Qualität und landen oft als handelsübliche Ware im Supermarktregal.
Die Bewertung des Kaffees basiert auf rein physischen und sensorischen Kriterien. All unsere Kaffees wurden mindestens mit 80 Punkten bewertet. Das heißt: All unsere Kaffees werden als Specialty Coffee produziert und geröstet.
Unterschiede in der Wertschöpfungskette
Industrieller Kaffee hingegen zeichnet sich durch eine lange Wertschöpfungskette aus, er wird schließlich auch an der Börse gehandelt. Bei Spezialitätenkaffee hingegen ist diese Kette sehr kurz, an einer Hand abzählbar – vom Kaffeefarmer bis in deine Tasse durchläuft Spezialitätenkaffee nur wenige Instanzen: Kaffeefarmer, Washing Station, Importeure, Röster, Endkunden. „Beim Rohkaffee-Einkauf zahlen wir faire Einkaufspreise, die weit über dem Weltmarktniveau oder "Fair-Trade" Zertifizierungsangeboten liegen“, sagt Ivo, Gründer und Head Röster von Röststätte.
Commodity-Kaffee wird an der Börse gehandelt
Spezialitätenkaffee wird nicht wie Commodity Kaffee gehandelt, es ist uns wichtig, das zu betonen. Commodity Kaffee wird an der Börse gehandelt. Das bedeutet, es ist ein stark preisgetriebener Markt. An der Börse gehandelter Kaffee hat stets einen variablen Preis, ist ein Spekulationsprodukt, das beliebig ausgetauscht werden kann. Die Produzenten sind Teil einer langen Wertschöpfungskette von Zwischenhändlern, sind einem enormen Risiko und einer Instabilität ausgesetzt. Deswegen kommt recht wenig bei den Produzenten an, die Ursprungsländer erhalten unfaire Preise für ihre schwere Arbeit.
Grundlegend gilt: Die Kaffees mit Bio- oder Fairtrade-Siegel kommen häufig von großen Produzenten und Farmen, deren Qualität nicht der von Spezialitätenkaffee entspricht.
Spezialitätenkaffee: Ein freier Handelsmarkt
Spezialitätenkaffee hingegen wird frei gehandelt. Es ist ein qualitätsgetriebener Markt, also gute Qualitäten erzielen gute Preise. Es wird so viel bezahlt, dass nicht nur eine gerechte Entlohnung erfolgt, sondern dass die Produzenten sogar in die Qualität ihres Kaffeeanbaus und in soziale Projekte reinvestieren können. Egal ob Produzent, Verarbeiter oder Kaffee-Genießer – die Handelsstruktur von Spezialitätenkaffee macht sich für alle bezahlt.
Bio, Fair Trade und Direct Trade
„Ist Euer Kaffee fair? Habt ihr entsprechende Siegel?“ Das ist eine wichtige Frage. Die Antwort: Nein, haben wir nicht. Aber wir handeln unseren Kaffee trotzdem fair. Doch was ist der Unterschied zwischen Bio, Fair Trade, Direct Trade und was ist unsere Philosophie? Das wollen wir nun kurz erklären.
Fairtrade-Kaffee
Beim Fairtrade-Siegel steht die Förderung von Kleinbauern, ihre Selbstverwaltung und Unabhängigkeit im Fokus. Das Fairtrade-Label garantiert den Produzenten einen Mindestpreis, zudem wird die Vorfinanzierung der Ernteerträge ermöglich. Dazu gibt es einen Bonus: Abhängig von der verkauften Menge gibt es eine Sozialprämie, mit der die Kaffeefarmer soziale Projekte in ihrem Umfeld finanzieren können. Der Nachteil des Labels ist sein hoher Preis, denn die Produzenten müssen hohe Summen für die Fairtrade-Zertifikate zahlen.
Deswegen ist es für die Bauern oft ein Nullsummenspiel, sie verdienen unter dem Strich nicht mehr als im normalen Handel, Gewinner sind meistens die Einzelhändler. „Fairtrade-Kaffee hat nach Einschätzung verschiedener Forscher nur wenig bis vernachlässigbare Auswirkungen auf die Produzenten, vor allem die armen“, heißt es
in einem Zeit-Artikel.
Combo Purchasing unterbietet Fairtrade-Preis
Ende 2019 sorgte
ein Facebook-Post des Rohkaffeehändlers Angel Barrera für viel Aufsehen. Er beschreibt, wie Fairtrade-zertifizierter Kaffee unfair gehandelt wird – nämlich gemischt mit nicht zertifiziertem Kaffee weit unter dem Fair Trade Preis. Dieses sogenannte Combo Purchasing zeigt, dass das Fair Trade Siegel in Wahrheit weitaus weniger fair ist, als es der Name sagt.
Auch in anderen Bereichen als im Kaffee gibt es in den Ursprungsländern oft Probleme mit der Zertifizierung. „Produzenten in Guinea-Bissau konnten ihre Produkte nicht zertifizieren lassen, weil ihnen das Geld fehlte für die Busfahrt in die Hauptstadt. Das sind die Realitäten in Afrika“, sagt der senegalesische Ökonom Ndongo Samba Sylla
in einem Interview mit dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). „Die Ärmsten werden nicht erreicht, weil dieses Systems ganz auf den Export ausgerichtet ist.“
Wichtig zu wissen für dich als Kaffeetrinker: Unsere Kaffees werden wirklich fair gehandelt, auch wenn kein Fairtrade-Label draufgedruckt wurde.
Biolabel
Biokaffee wird in Mischkulturen angebaut, zum Beispiel zusammen mit Kakao, Bananen, Avocado oder Grapefruit. Dadurch entsteht ein natürlicher Schutz gegen Schädlinge, es wird weniger Chemie beispielsweise in Form vom Pestiziden eingesetzt. Zudem findet der Kaffee Schattenspender, die ihm ermöglichen, langsam zu reifen. Biokaffee zeichnet sich durch eine schonende Ernte, aber nicht immer durch eine längere und schonendere Röstung aus. Es gibt wesentlich mehr Handarbeit bei der Entfernung des Fruchtfleisches, bei der Kaffeekirschenreinigung und bei der Fermentierung, aber ganz ohne Maschinen kommt die Ernte nicht aus. Die Bio-Qualität wird in der kompletten Wertschöpfungskette von einer Öko-Kontrollstelle geprüft, teilweise auch ohne Vorankündigung.
Der Nachteil des Bio-Siegels sind die hohen Kosten. Zuerst allein für das Zertifikat, dazu kommen Kosten für jährliche Inspektionen. Das können sich vor allem in den armen Anbauregionen nur wenige leisten. In Äthiopien beispielsweise sind 95 Prozent der Farmer Smallholder-Farmen. Sie produzieren den Kaffee in biologischer Weise, aber können sich das Zertifikat nicht leisten. Dazu kommen viele Auflagen für uns Röster, beispielsweise muss Biokaffee getrennt von der restlichen Ware gelagert und geröstet werden. Und der Röster muss sich regelmäßigen Inspektionen stellen.
Wichtig zu wissen für dich als Kaffeetrinker: Unsere Kaffees entsprechen den meisten Bio-Kriterien, auch wenn sie kein Siegel haben. Ihr könnt sie also mit gutem Gewissen genießen.
Direct Trade
Beim Direct Trade verkauft der Produzent direkt an den Importeur oder an die Kaffeerösterei, die den Rohkaffee röstet und wiederum direkt an den Endkunden sendet. Es gibt keine Zwischenhändler und auch der Handel an der Börse fällt aus der Kette heraus. Für die Einkäufer besteht aber deutlich höhere Risiken, beispielsweise dass Kaffee mit Defekten ankommt und nicht zurückgegeben werden kann – wie es beim Handel mit einem Rohkaffeeimporteur der Fall ist. Und kleine Mengen (Microlots) können aufgrund des logistischen und finanziellem Aufwands kaum bezogen werden.
Unsere Philosophie: Darum verzichten wir auf Labels
Warum haben wir keine zertifizierten Kaffees? Ganz einfach: Wir kaufen unsere Rohkaffees bei Spezialitätenkaffee-Importeuren und vertrauten Partnern ein. Für unsere Kaffees zahlen wir Preise, die das Weltmarktniveau um ein Vielfaches übersteigen.
Unsere Rohkaffee-Partner sind – wie wir – immer auf der Suche nach den besten Kaffees der Welt. Wir beziehen unsere Kaffees nach gewissenhaften Kriterien. Wir setzen auf einen qualitätsorientierten und vertrauensvollen Bezug unserer Rohkaffees aus den verschiedenen Anbauregionen.
Das heißt unsere engsten Vertrauten oder wir selbst besuchen die Farm oder die Kooperative, um den Kaffee nach der Ernte vor Ort zu verkosten und – nach sensorischen und sozialen Aspekten – auszuwählen. Durch diesen unmittelbaren Bezug pflegen wir den Kontakt und Austausch zu allen relevanten Partnern wie Kaffeefarmer, Washing Stations oder Kooperativen-Vertretern.
Wir profitieren von der Qualitätskontrolle ab dem Anbau und die Farmer von fairen Preisen. Somit haben wir als kleine Rösterei Zugang zu den besten Kaffees aus aller Welt, die wir transparent und mit gutem Gewissen einkaufen. Spezialitätenkaffee ist in dieser Hinsicht ein eigenes Label oder Gütesiegel, das die weltweit höchste Qualität deines Kaffees verspricht.
Die Vorteile von Spezialitätenkaffee:
- es gibt keine kostenintensiven Zwischenhändler, nur einen Spezialitätenkaffee-Importeur
- damit wird die Zusammenarbeit mit den Produzenten direkt vor Ort gestärkt
- Kaffeebauern erhalten mehr als Labels leisten können
- Wir als kleine Rösterei erhalten Qualitäten weit über dem Weltmarktniveau
- Und du als Kaffeegenießer erhältst einen Geschmack in der Tasse weit über dem üblichen Niveau.
written by
Christopher Braemer
Christopher ist gelernter Journalist und arbeitet im Marketing von Röststätte Berlin. Am Herzen liegen ihm der Röststätte-Newsletter und der Contentbereich. Für den Blog schreibt er über Kaffee aus aller Welt, aber auch über Wirtschaft, Politik oder Nachhaltigkeit. Falls ihr Fragen oder Anregungen habt, schreibt ihm gern eine Nachricht.
Fotos: Laura Droße, Röststätte
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